Die steile These gleich zu Beginn: Das Geheimnis der funktionierenden Alma Mater Society (ams) an der UBC ist eine gesunde Portion Spießigkeit!
Die Kanadier scheinen mir immer freundlich, hilfsbereit, an allem interessiert und immer offen für ein Gespräch zu sein. Dass vieles von dieser Freundlichkeit nur solange hält, wie man sich gerade sieht und der Inhalt des Gesprächs nicht für alle Ewigkeit in Erinnerung bleiben wird, steht dabei auf einem anderen Blatt und ist mir irgendwie sehr sympathisch.
Jetzt hat eine Universität wie die UBC aber über 60.000 Studenten und da ist es auch und vor allem für eine funktionierende Studentenvertretung (student society) schwer immer mit jedem den engsten Kontakt aufzubauen. Neben ihrer überdeutlichen Freundlichkeit scheint der gemeine Kanadier dies durch eine andere Tugend sehr gut abzubilden: Pragmatismus. Und so entsteht eine Form der Professionalität auch unter den Studenten, die an der Humboldt-Universität so nicht gelebt wird.
Während an der HU die Aktivitäten eines großen Teils der Studentenvertretung nur explizit interessierten offenbart wird und man dann am besten gleich als Freund oder Feind eingeordnet wird, glänzt die ams mit Professionalität zwischen (erwachsenen) Studenten.
Ein Beispiel: Die ams betreibt das Studentenzentrum "The ams Nest" mitten im Herzen der Uni. Es bietet vom großen (vermietbaren) Veranstaltungsraum, über Büros für die ams Executives, bis hin zu Redaktionsräumen der Studentenzeitung und Büros für die anderen Clubs alles, was das Studentenherz begehrt. Sogar ein Nachtclub (The PIT) und eine Rooftop-Bar sind dabei. Das tolle daran: Mindestens die Rooftop-Bar "The Gallery" wird vom ams selbst betrieben. Es stehen nicht nur die Studenten hinter dem Thresen, sondern sie sind auch Geschäftsführer und Buchhalter. Trotzdem ist die Stimmung in eben dieser Bar nicht wie in einem Clubraum, in dem man selbst zum Kühlschrank läuft, das Bier auf Vertrauensbasis ausgeschenkt wird oder jeder mal die Spülmaschine ausräumen muss. Man fühlt sich nicht fehl' am Platze, wenn man die Gallery zum ersten Mal betritt, weil es einfach eine normale Bar ist. Der einzige Unterschied: Für kanadische Verhältnisse sind die Preise moderat und die Einnahmen kommen über Umwege auch den verschiedenen Student Clubs zugute.
Diese Student Clubs suchen übrigens keine "voluntaries" (Freiwilligen), sondern sie "hiring executives" (stellen Führungskräfte ein). Wie und ob man an dieser Stelle dann wirklich bezahlt wird, ist mir (noch) nicht bekannt. Trotzdem ist es ein Unterschied, ob ich mit dem "Bürobeauftragten" oder dem "Vice President of Office Relations" spreche ;) Alleine der Varsity Outdoor Club (UBC-VOC), der fast jedes Wochenende für seine Mitglieder Hiking-, Paddel- und Klettertouren anbietet, besteht aus 1000 Mitgliedern (Bei einem normalen Trip sollen nur um die 15 Personen dabei sein). Dass sich bei diesen Zahlen ein Gefälle zwischen dem Vorstand / Executive Board / Freiwilligen und den Mitgliedern, die einmal im Jahr vorbeischauen, herausbildet ist klar. Und das scheinen auch alle zu wissen.
Warum aber ist diese Annonymität / Professionalität zwischen Studenten und Studentenvertretung ein Gewinn? Weil man es sich bis zu einem gewissen Level einfach nicht erarbeiten muss, ein Teil davon zu sein. Jeder Student kann wie selbstverständlich gewisse Angebote des ams nutzen ohne den Vorsitzenden beim Namen zu kennen. Es sind einfach Service-Angebote von Studenten für Studenten und dazu braucht es nicht mehr als gegenseitiges Interesse.
Eine kurze Schlussbemerkung: Nicht nur die ams hat Einrichtungen im Nest. Auch der UBC Food Service oder UBC safewalk haben hier ihre Basis. Die Zusammenarbeit zwischen Uni und Studierendenvertretung scheint zur Abwechslung mal gut zu funktionieren.